Die Umsetzung.

Positionspapier

Das vorliegende Positionspapier stellt Forderungen auf, wie die in der kantonalen Volksinitiative “Gesunde Jugend Jetzt!” genannten Ziele langfristig erreicht werden können. 

Urheber des Positionspapieres sind:

  • das Initiativkomitee,

  • die Stiftung Pro Juventute, 

  • die Vereinigung der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -Psychotherapie im Kanton Zürich (ZGKJPP),

  • der Kantonalverband der Zürcher Psychologinnen und Psychologen (ZüPP),

  • der Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverband (ZLV), und

  • der Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner – Sektion Zürich/Glarus/Schaffhausen (SBK ZH/GL/SH).

Aus- und Weiterbildung

Forderung 1: Weiterbildungskosten Kinder- und Jugendpsychiater:innen

Damit ein grösseres Angebot geschaffen werden kann, übernimmt der Kanton die Weiterbildungskosten aller angehenden Kinder- und Jugendpsychiater:innen bis zum vollendeten Facharzttitel vollständig.

Mangels Nachwuchses schrumpft die Anzahl Kinder- und Jugendpsychiater:innen im Kanton Zürich seit 2015. Gemäss dem nationalen MedReg werden in 10 Jahren 56 % aller aktuell praktizierenden Kinder- und Jugendpsychiater:innen über 70 Jahre alt sein und demnach viele von ihnen in Rente gehen. Kinder- und Jugendpsychiater:innen haben im Vergleich zu anderen Fachrichtungen überdurchschnittlich hohe Weiterbildungskosten. Gleichzeitig erhalten sie nach erfolgter Ausbildung den tiefsten Lohn aller Fachärzteschaften.

Bezieht sich auf den 2. Absatz im Initiativtext.

Forderung 2: Weiterbildungskosten Psychotherapeut:innen 

Der Kanton Zürich finanziert die Weiterbildungskosten der angehenden psychologischen Psychotherapeut:innen mit praktischem Schwerpunkt Kinder und Jugendliche, analog zu den angehenden Kinder- und Jugendpsychiater:innen. Er subventioniert Kliniken und Ambulatorien mit mindestens CHF 25’000 pro Ausbildungsstelle für psychologische Psychotherapeut:innen und verpflichtet die Listenspitäler, entsprechende Ausbildungsplätze zu schaffen. Allenfalls wäre es angezeigt, die Subventionierung mit der Verpflichtung zu verbinden, nach erfolgter Ausbildung für eine bestimmte Mindestdauer im Schwerpunkt Kinder und Jugendliche praktisch tätig zu sein.

Neben Kinder- und Jugendpsychiater:innen besteht auch ein dringender Bedarf an zusätzlichen psychologischen Psychotherapeut:innen mit Schwerpunkt Kinder und Jugendliche. Psychologische Psychotherapeut:innen sind zentrale Leistungserbringer in Psychiatrien und ihren Ambulatorien und arbeiten in eigenen Praxen als niedergelassene Psychotherapeut:innen, wo es auch lange Wartefristen gibt. Die Weiterbildungskosten von rund CHF 50’000 – 70’000 tragen die Betroffenen vollumfänglich selbst. Eine kantonale Beteiligung an den Ausbildungskosten wird diesem Umstand gerecht und erleichtert geeigneten Interessent:innen den Einstieg in dieses anspruchsvolle Berufsfeld.

Bezieht sich auf den 2. Absatz im Initiativtext.

Forderung 3: Umsetzung der Pflegeinitiative

Um Kindern und Jugendlichen die medizinisch notwendigen Behandlungen im Bereich der Pflege zur Verfügung stellen zu können, ist die Pflegeinitiative rasch und konsequent umzusetzen.

Mit der Umsetzung der Pflegeinitiative wird unter anderem eine Ausbildungsoffensive gestartet, die dringend notwendig ist, um mehr Pflegefachpersonen in den Institutionen zu haben. Auch in den psychiatrischen Einrichtungen werden händeringend neue Fachkräfte gesucht. Nur mit mehr ausgebildeten Pflegefachpersonen kann in Zukunft eine qualitativ gute und sichere Versorgung sichergestellt werden.

Bezieht sich auf den 2. Absatz im Initiativtext.

Forderung 4: Nachwuchsförderung

Der Kanton lanciert eine Imagekampagne zur Nachwuchsförderung der betroffenen Berufsgruppen aus Psychiatrie, Psychologie, Pflege und Sozialarbeit.

Innerhalb der betroffenen Berufsgruppen, aber vor allem auch unter den Lehrenden und Studierenden, geniessen die Berufsbilder im Bereich der psychischen Kinder- und Jugendgesundheit heute nicht den Ruf, den sie verdienen. Um mehr Personal auszubilden, sollen die positiven Aspekte und Chancen der verschiedenen Berufsbilder hervorgehoben werden.

Bezieht sich auf den 2. Absatz im Initiativtext.

Prävention

Forderung 5: niederschwellige Erstanlaufstellen

Der Kanton Zürich erhöht die finanzielle Unterstützung von niederschwelligen Erstanlaufstellen für Kinder, Jugendliche und Eltern (wie zum Beispiel das «147» von Pro Juventute). Zusätzlich trifft er Massnahmen zur Bekanntheitssteigerung solcher Stellen, damit Kinder und Jugendliche, ihre Eltern sowie ihr Umfeld wissen, wo sie Hilfe erhalten können.

Seit 2019 stieg der Beratungsaufwand beim 147 von Pro Juventute um 40 % an. Die Beratungen wegen Suizidgedanken haben sich verdoppelt. Angesichts des wachsenden Bedarfs sind niederschwellige Angebote privater Institutionen auf zusätzliche Hilfe und Subventionen angewiesen. Die Angebote sind den Versorgungsträgern vorgelagert und entlasten diese entsprechend. Dadurch werden stationäre und ambulante Angebote entlastet (auch finanziell). 
Je früher sich Betroffene an ein Angebot wenden, desto grösser sind die Erfolgschancen. Trotz der gestiegenen Nachfrage an den Angeboten wissen viele Kinder und Jugendliche immer noch nicht, wo sie sich im Ernstfall Hilfe holen können. Neben der Stärkung der Angebote ist deshalb eine auf die Zielgruppe abgestimmte Kommunikation durch die jeweiligen Fachorganisationen angezeigt, was für diese jedoch eine finanzielle Mehrbelastung darstellt. 

Bezieht sich auf den 1. Absatz im Initiativtext.

Forderung 6: Beratungsstellen für Eltern

Der Kanton Zürich schafft oder fördert verstärkt bestehende, spezialisierte und unabhängige Beratungsstellen für werdende Eltern, junge Familien mit Säuglingen und Kindern im Vorschulalter, die psychologische Beratung, Kriseninterventionen und Entwicklungsberatungen anbieten. Betroffene sollten das psychologische Beratungsangebot niederschwellig aufsuchen können. Eine möglichst frühe psychologische Beratung ist notwendig, um spätere psychische Probleme bei Kindern und Jugendlichen zu verhindern.

Etwa 20 % aller Kinder im Vorschulalter zeigen klinisch relevante Verhaltensauffälligkeiten (z.B. emotionale Störungen, Angststörungen, Verhaltensauffälligkeiten). Bei etwa 4 % aller Säuglinge treten im ersten Lebensjahr mehrere Bereiche betreffende Regulationsstörungen auf (Schlafen und exzessives Schreien sowie Ernährung), welche die Entwicklung des Kindes ungünstig beeinflussen können und für die Eltern eine aussergewöhnliche Belastung darstellen. Psychologische Beratungsstellen für Schwangere und werdende Eltern fehlen vollständig. Die bestehenden kantonalen Angebote der Eltern- und Erziehungsberatung werden von vielen Betroffenen nicht genutzt, da die Hürden oftmals zu hoch sind.

Bezieht sich auf den 1. Absatz im Initiativtext.

Forderung 7: Weiterbildungsangebote für Lehrpersonen

Für Lehrpersonen schafft der Kanton Zürich Weiterbildungsangebote und Unterrichtsunterlagen zum Thema psychische Gesundheit und stellt diese den Gemeinden und Lehrpersonen zur Verfügung. Darin wird auf Angebote und Anlaufstellen sensibilisiert und die angemessene Vorgehensweise bei einem Kind mit psychischen Erkrankungen aufgezeigt. Die nötigen Ressourcen für eine angemessene Vorgehensweise durch Lehrpersonen werden im Berufsauftrag vorgesehen.

Lehrpersonen sind im täglichen Kontakt mit Schüler:innen und agieren meist als Vertrauenspersonen. Als solche sind sie in der Lage, mit der nötigen Expertise psychische Erkrankungen bereits früh zu erkennen. Oftmals fehlt es aber sowohl an der nötigen Ausbildung in diesem Bereich, als auch an den Kapazitäten.

Entsprechende Aus- und Weiterbildungsangebote sollen den Lehrpersonen und Gemeinden  verstärkt zur Verfügung gestellt werden. Im gleichen Zug sollen Unterrichtsmaterialien und Unterlagen, wie diejenigen in Erarbeitung durch die ZHAW, verstärkt auch bei Lehrpersonen bekannt gemacht und in entsprechende Programme integriert werden. Mit steigenden Klassengrössen und stetig zunehmender Anzahl Sonderschüler:innen in der Regelklasse, Kinder mit Deutsch als Zweitsprache und Bedarf an integrativer Förderung, bleibt den Lehrpersonen weniger Zeit, um erste Anzeichen psychischer Erkrankungen zu erkennen und die nötigen Schritte einzuleiten. Die dafür notwendigen Ressourcen sollen entsprechend in den Berufsauftrag der Lehrpersonen integriert werden, damit die notwendige Kapazität zur Verfügung steht.

Bezieht sich auf den 1. Absatz im Initiativtext.

Forderung 8: Stärkung der Resilienz

Der Kanton Zürich investiert in Massnahmen zur Stärkung der Resilienz der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Dazu gehören das Erlernen aktiver Stressbewältigung, eine aktive Medienerziehung, Massnahmen zur Bekämpfung von Mobbing sowie eine generelle Sensibilisierung auf die psychische Gesundheit. Der Kanton unterstützt bestehende Angebote wie etwa die Medienprofi-Workshops der Pro Juventute und schafft Angebote, wo es Lücken gibt (etwa in der Stärkung der Resilienz) in Zusammenarbeit mit Fachorganisationen.

Resilienz gilt als Schlüsselfaktor für die Prävention von psychischen Problemen. Die Resilienz früh zu fördern, entlastet das Gesundheitssystem. Ebenfalls ist es wichtig, Kinder und Jugendliche im gesunden Umgang mit digitalen Medien zu schulen. Wo bereits etablierte Angebote bestehen, sollen diese verstärkt unterstützt werden. 

Bezieht sich auf den 1. Absatz im Initiativtext.

Versorgung

Forderung 9: ambulante psychosoziale Pflege

Das Angebot ambulanter psychosozialer Pflege (Spitex) ist im Kanton Zürich bekannter zu machen. Kinder und Jugendliche, aber auch Eltern mit psychischer Erkrankung, sollen einfachen und direkten Zugang zu Unterstützung durch psychiatrische Fachpersonen Zuhause haben.

Kinder von psychisch erkrankten Eltern(teilen) sind in vielerlei Hinsicht benachteiligt. Die psychosoziale Pflege arbeitet familienzentriert Zuhause und ist eine ideale Ergänzung zu Angeboten der Kinder- und Jugendzentren oder der KESB. Das Risiko und die Konsequenzen von Youngcarer Rollen können mit dem Einsatz von psychosozialer Pflege im häuslichen Setting reduziert werden.

Bezieht sich auf den 2. Absatz im Initiativtext.

Forderung 10: Ausbau Schulpsychologischer Dienst

An den obligatorischen Schulen ist die Finanzierung für die Erweiterung des Beratungsangebots und der Präventionsprojekte der Schulpsychologischen Dienste zu erhöhen. Die heute vom Kanton Zürich festgelegte Richtgrösse von einer Vollzeiteinheit pro 1250 Schüler:innen muss auf mindestens einer Vollzeiteinheit pro 750-1000 Schüler:innen erhöht werden. Die Schulgemeinden müssen dieses erweiterte Beratungsangebot und die Präventionsprojekte der Schulpsychologischen Dienste sowie die Erhöhung der heutigen Richtgrössen für Stellen mitfinanzieren. 

An den obligatorischen Schulen bis zur 9. Klasse sind die Schulpsychologischen Dienste bei Schul-, Entwicklungs- und Erziehungsfragen die erste Anlauf- und Triagestellen für Kinder und Jugendliche. Neben den schulpsychologischen Abklärungen, für die häufig lange Wartezeiten bestehen, beinhaltet ihr Auftrag auch die Beratung von Eltern, Kindern/Jugendlichen (z.B. in Krisensituationen, bei Lernschwierigkeiten, Verhaltensproblemen, emotionalen Schwierigkeiten) sowie Schulteams und Schulbehörden. Diese Aufgaben sind aufgrund der steigenden psychischen Belastungen von Kindern und Jugendlichen, dem Lehrpersonenmangel und der Integration von Geflüchteten in die Schule markant gestiegen. In den verschiedenen Schulgemeinden des Kantons Zürich unterscheiden sich die Ressourcen und die Schwerpunkte in den Aufgaben der Schulpsychologischen Dienste zudem erheblich. Es gibt deshalb einen dringenden Bedarf, die Beratungsangebote der Schulpsychologischen Dienste sowie Präventionsprojekte zur psychischen Gesundheit an den Schulen auszubauen und zu harmonisieren.

Bezieht sich auf den 1. Absatz im Initiativtext.

Forderung 11: Vereinfachung des Berichtswesens

In Zusammenarbeit mit den betroffenen Berufsverbänden prüft der Kanton Zürich Massnahmen, um das Berichtswesen der Kinder- und Jugendpsychiater:innen (insbeso. gegenüber den Krankenkassen und den IV-Stellen) zu vereinfachen. 

Mangels digital anerkannter Instrumente bereitet das Berichtswesen in der Psychiatrie erheblichen, oft doppelspurigen Aufwand. Die hierfür aufgewendete Arbeitszeit könnte zusätzliche Kapazität für neue Patient:innen schaffen und den Beruf aufwerten.

Bezieht sich auf den 2. Absatz im Initiativtext.

Forderung 12: Schulpsychologischer Dienst in Mittel- und Berufsschulen

In den Mittel- und Berufsschulen wird ein Schulpsychologischer Dienst geschaffen. Diese psychologischen Beratungsstellen für Jugendliche sind zusätzlich zur Schulsozialarbeit notwendig und mit Fachpersonen aus der Kinder- und Jugendpsychologie und Psychotherapie zu besetzen.

Im Kanton Zürich fehlen an den nachobligatorischen Schulen wie Gymnasien und Berufsschulen flächendeckende, niederschwellige Anlaufstellen mit psychologischen oder psychotherapeutischen Fachpersonen für die Früherkennung und Beratung von Jugendlichen. Besonders problematisch ist dabei, dass dies auch Kinder betrifft, die nach der 6. Klasse an das Langzeitgymnasium wechseln. Mit psychologischen Anlaufstellen in den Schulen könnten Kinder und Jugendliche mit psychischen Problemen dort erreicht werden, wo sie sich täglich aufhalten, womit eine frühe Beratung möglich wäre.

Bezieht sich auf den 1. Absatz im Initiativtext.

Forderung 13: Advanced Practice Nurse

Der Kanton Zürich prüft, inwiefern APN (Advanced Practice Nurse) die Kinder- und Jugendpsychiater:innen in Zukunft mehr unterstützen und entlasten können. 

Schon jetzt fehlen zahlreiche Kinder- und Jugendpsychiater:innen, um eine zeitnahe Therapie zu ermöglichen. In naher Zukunft wird sich die Situation noch weiter verschlechtern, womit grosse Versorgungslücken entstehen. Um diese Lücken schliessen zu können, braucht es verschiedene Massnahmen. Mit gewissen Kompetenzerweiterungen der APN besteht eine Möglichkeit, diese Lücken zu schliessen und die Ärztinnen und Ärzte zu entlasten.

Bezieht sich auf den 2. Absatz im Initiativtext.

Forderung 14: Ausbau der Schulsozialarbeit

An den obligatorischen und nicht-obligatorischen Schulen ist die Finanzierung für die Erweiterung der Schulsozialarbeit durch die jeweiligen Schulträger (Kanton oder Gemeinde) zu erhöhen. Als Richtwert ist eine Vollzeitstelle pro 650 Schüler:innen anzustreben.

Schulsozialarbeiter:innen leisten einen wichtigen Beitrag zur Entlastung des Gesamtsystems, insbesondere im Bereich der Früherkennung. Als externe Konfliktlöser und Vertrauenspersonen füllen sie eine wichtige Lücke und unterstützen Schüler:innen, Eltern und Lehrer:innen gleichermassen.

Bezieht sich auf den 2. Absatz im Initiativtext.

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